Intervention hinterlaesst Spuren

Soziale Arbeit ist weitestgehend Ressourcenarbeit entlang der vier zentralen Dimensionen (ökonomische, soziale, kulturelle Ressourcen und Gesundheit); ,Hilfe zur Selbsthilfe' wird die Arbeit erst dadurch, dass sie ihre Klienten langfristig befähigt, ihre ,neuen' Ressourcen eigenständig zur Lebensbewältigung einzusetzen. Ein Erfolg ist also erst dann erzielt, wenn sich die Klientin auch Monate später noch traut, bsp. Bahn zu fahren und sich nach dieser bestandenen ,Mutprobe' auch anderen Herausforderungen stellt und diese erfolgreich meistert.



Der Erfolg ist um so größer je weiter jene neuen Herausforderungen vom ursprünglichen Erfolg entfernt sind; vom Schifffahren zum Bahnfahren ist ein vergleichsweise kleiner Schritt, als nun mit einem Mikrofon vor hunderten von Zuhörern einen Vortrag zu halten, einen Computer selber anzuschließen oder einen Holzfußboden zu verlegen. Leider neigen unsere Klienten, in Folge ihrer Stigmatisierung, ihres negativen Selbstbildes oder der Defizitorientierung Sozialer Arbeit dazu, Erfolge sowie Phasen des Wohlbefindens schnell wieder zu vergessen oder gar nicht zu realisieren; während hingegen (vermeintliche) Rückschläge -als Bestätigung, ein Looser zu sein- regelhaft überwertet werden.

Diese selektive Wahrnehmung und Interpretation zu durchbrechen, ist die größte Herausforderung unserer Arbeit: Wir müssen sicherstellen, dass Erfolge mindestens in gleicher Weise internalisiert (verinnerlicht) werden wie Misserfolge; möglichst noch stärker. Dies wird u.a. dadurch verfolgt, dass

Üben wir Bahnfahren, wird bsp. ein Plan von dem gesamten Streckennetz des ÖPNV zunächst im Büro aufgehängt und dann jede Strecke markiert, die erfolgreich bewältigt wurde. Sind alle Strecken markiert, wird der Plan eingerahmt und feierlich übergeben; wenn das hübsch verpackte Paket ausgewickelt wird, kann man vielleicht noch ein Foto machen und in Posterformat in doppelter Ausführung abziehen; auch die Sozialpädagogen brauchen motivierende und aufbauende Spuren.In der Hektik des Alltags werden solche ,Kleinigkeiten' schnell vergessen. Dies ist fatal, weil sie unwesentlich viel Geld und Zeit kosten, jedoch für beide Seiten unerlässlich sind, um den Erfolg zu verinnerlichen, Motivation zu fördern, Selbstbewusstsein zu bilden und selber nicht auszubrennen.

Es klingt vielleicht albern, aber wir brauchen das zweite Poster! Haben uns die Klienten ver- und dabei keine Spuren hinterlassen, fällt es auch uns mit zeitlichem Abstand immer schwerer, unseren Erfolg zu vergegenwärtigen. Die Hoffnung, wir würden im Anschluss an die Zusammenarbeit noch Kontakt zu unserem Klientel halten und den Erfolg wahrnehmen können, erweist sich regelhaft als Illusion. Im Einzelfall ist es sicherlich noch zu verkraften, jedoch im Regelfall ist es frustrierend. Es kann sogar psychische wie psychosomatische (Berufs-) Krankheiten begünstigen, wenn man aus den Augen verliert, warum man was eigentlich tut.In allen drei Methoden (Einzellfall-, Gruppen- und Gemeinwesenarbeit) entlang aller vier Ressourcendimensionen sollte versucht werden, für beide Seiten Spuren des gemeinsamen Erfolges zu legen:

Einzellfallarbeit:



Gruppenarbeit:

Gemeinwesenarbeit:

In der Gemeinwesenarbeit kann z.B. von Gesundheitsförderung gesprochen werden, wenn in einer Siedlung eine Tempo 50-Durchgangsstraße mittig unterbrochen und umgewandelt wird in eine nur noch mit Tempo 10 einseitig zu befahrene Spiel- und Parkstraße. Nicht nur die verminderte Unfallgefahr und reduzierte Emissionen können dem allgemeinen wie gesundheitlichen Wohlbefinden dienen, sondern ggf. auch eine Bachvolleyballanlage, die in der Mitte neu geschaffen und mit halbrunden Sitzreihen drumrum ausgestattet wurde. Sport fördert so nicht nur die Gesundheit, sondern auch den sozialen Kontakt der Nachbarschaft. Auch hier dürfen Einweihungsparty, sowie mediale Aufmerksamkeit nicht fehlen. Neben dem Wiedererkennungswert helfen auch die Medienberichte, sich seiner eigenen sozialen und kulturellen Kompetenzen zu vergewissern, die man während der Planungs- und Bauphase erworben und beigesteuert hat.

Eine schöne Spur zu sozialen Erfahrungen bieten auch die Lehmbauobjekte, die unter Mithilfe der Kindern mit viel Spaß und Matsch geschaffen wurden: Eine Elterngruppe auf einem öffentlichen Spielplatz hat sich zunächst mittels Öffentlichkeitsarbeit, Flohmärkten, Kuchen- und Kaffeeverkauf, sowie einer Spendenkampagne im Stadtteil um ideelle und materielle Unterstützung der Lehmbauten bemüht. Später hat man mit der großen Gruppe inklusive der Kindern einen Ausflug ins Grüne mit ausgiebigem Picknick gemacht und nebenbei die nötigen Weidenzweige geschnitten. Während die Kinder ihren Eltern beim Flechten der Weiden wenig helfen konnten, hatten sie beim Stampfen und Matschen im Lehm aber viel Freude. Das Ergebnis ist nun nicht nur täglich beim Spielen zu bewundern, sondern auch symbolisch in Form gewonnener Preise und einiger Fernsehberichte. Das gemeinschaftliche Engagement hat sein ökonomisches Äquivalent nun nicht nur in der realen Höhe der gesammelten Spenden gefunden, sondern auch mittelbar in einem Marktpreis solcher Hütte, der die Idee schon im Keim erstickt und ihre Realisierung verunmöglicht hätte.





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